Drei Leipziger am Israel Trail (1)
Wie erfährt man eigentlich etwas über den Israel Trail? Am besten, in dem man darüber spricht! Als ich Frieder das erste Mal in Leipzig traf, erzählte ich ihm in meiner Begeisterung, „Das müsst ihr unbedingt selbst machen!“. Jetzt war er selbst auf dem Israel National Trail und kann wiederum andere mit seiner Begeisterung und seinen ganz eigenen Erfahrungen anstecken!
Was Frieder und seine beiden „Mädels“ am Trail alles erlebt haben, erzählt er euch am besten selbst. Frieder Leistner im Interview mit Christian Seebauer…
Christian | Frieder, als ich mit Dir in Leipzig über den Shvil Israel gesprochen habe, war ich mir absolut sicher, wir würden wieder von einander hören! Ich freue mich riesig! Kann ein Pilgerweg wie der Israeltrail tatsächlich Menschen irgendwie miteinander verbinden? Was meinst Du? |
Frieder | In jedem Fall und zwar auf zweierlei Weise. Zunächst verbindet er die Wanderer oder Shvilistim – wie man in Israel sagt – miteinander. Ich war ja mit „meinen zwei Mädels“ unterwegs und wir konnten durch das gemeinsame Wandern in mehr als drei Wochen viele neue Seiten an uns selbst entdecken, man kommt sich auf neue Weise näher.
Und wir lernten viele Menschen auf dem Weg und in den Unterkünften kennen. Überwältigend ist die Gastfreundschaft, die wir z.B. bei den Trail-Angels gefunden haben aber auch die Freundlichkeit und „Bewunderung“ unterwegs auf dem Trail, wenn wir gefragt wurden, woher wir kommen, warum wir den Trail gehen, und, und, und ….. Oft waren es jüngere, die uns „Oldies“ aus Germania wegen unseres Mutes bestaunten und es toll fanden, dass wir auf diese Weise ihr „Erez Israel“ kennen lernen wollen. Wir waren ganz ehrlich gesagt, richtig stolz auf uns! |
Christian | Plötzlich war Dein Email bei mir, was mich total elektrisiert hat: Du schreibst mir am 26.09.2016: „Morgen ist es soweit. Wir machen uns auf den Weg, um von Dan bis Tel Aviv ein Drittel des Trails unter die Wanderschuhe zu nehmen. …“. So etwas finde ich ansteckend und bei so einem Email steigt sogar mein eigener Puls! Wie ist das, wenn man plötzlich realisiert: Morgen ist es soweit? |
Frieder | Irgendwie eigenartig und erlösend zugleich. Die Vorbereitung nimmt ja nun doch einige Zeit in Anspruch und man geht eine solche Tour nicht ganz „grün“ und „auf die Kalte“ an. Informationen sammeln, Erfahrungen von anderen suchen (so wie Deine z.B.), die Route studieren und mögliche Tagesetappen festlegen, diverse Unterkunftsmöglichkeiten eruieren, den Flug buchen, abklären, welche Sachen nehmen wir mit und welche nicht, was besonders wichtig ist.
Man denkt immer bis zum letzten Tag, dass immer noch nicht alles bedacht und durchgeplant ist – typisch deutsch! Und dann geht es los, endlich! Man sitzt im Flugzeug, hört die hebräischen Ansagen, fliegt übers Mittelmeer und landet nach ca. vier Stunden in Tel Aviv. Man registriert mit Freude, wir sind da! Aber gleichzeitig ging durch unsere Köpfe die Frage, was kommt auf uns zu, worauf haben wir uns eigentlich eingelassen und schaffen wir das? |
Christian | Frieder, Birgit und Birgit? Wie darf man sich das vorstellen? |
Frieder | Ganz einfach! Birgit I meine Frau, Birgit II eine gute Freundin von uns und ich, der Frieder. |
Christian | Von Kibbuz Dan bis Tel Aviv: Zu Fuß ein weiter Weg! Wie lange habt ihr dazu gebraucht? Und was habt Ihr alles erlebt? |
Frieder | Reichlich drei Wochen mit drei Ruhetagen – jeweils einen zu Beginn und am Ende in Tel Aviv und einen in Haifa – haben wir gebraucht.
Die Erlebnisse kann man gar nicht in all der Kürze schildern. Zunächst haben wir mehr oder weniger ungeplant drei wichtige jüdische Festtage erlebt: Rosh haShana, das jüdische Neujahrsfest – Jom Kippur, den Versöhnungstag und Sukkot, das Laubhüttenfest. Zu Rosh haShana waren wir in Safed, einer Stadt, deren Bevölkerung sehr religiös ist. Am Vorabend des Festes strömten Alt und Jung festlich gekleidet in die zahlreichen Synagogen. Es war für uns schon beeindruckend, die Religiosität der Leute in dieser Stadt zu erleben. Safed ist, haben wir uns sagen lassen, das Zentrum der Kabbala, einer spezifischen mystischen Form des jüdischen Glaubens. Jom Kippur erlebten wir an einem unserer Ruhetage in Haifa. Diesen Tag nehmen fast alle Israelis, auch die nichtreligiösen Juden, ernst. In der Stadt ruhte das gesamte Leben: Kein Auto fährt und kein Bus, die Läden sind zu, sogar die Verkehrsampeln sind am Tag außer Betrieb – es fährt ja sowieso nichts. Man könnte sich mitten auf die Straße legen, ohne dass einem was passiert. Einfach außergewöhnlich! Das Laubhüttenfest dauert ca. 9 Tage, wobei der erste und der letzte Tag bewusst gefeiert werden. Charakteristisch sind dabei die Laubhütten, die in manchen Vorgärten oder auf den Grundstücken aufgebaut werden und die Familien mit Freunden und Bekannten darin den Abend verbringen. Dann haben wir natürlich ganz bewusst die Natur und die verschiedenen Landschaften kennengelernt. Der Shvil führt ja gezielt hauptsächlich etwas abseits von den größeren Siedlungen durch das Land. Höhepunkte unserer Tour waren die Schlucht Amud, der See Genezareth mit dem Arbel-Berg nahe Tiberias, die Besteigung und die Übernachtung auf dem Berg Tabor, das Karmelgebirge und die Strecke entlang des Mittelmeeres von Dschisr az-Zarqa, der einzigen rein arabischen Stadt an der israelischen Mittelmeerküste, bis Tel Aviv. Schließlich die vielen Begegnungen mit den Menschen, aber diese wären ein ganzes Kapitel für sich. |
Christian | Wenn man so lange und so weit mit seiner Frau und einer besten Freundin geht, also quasi Tag und Nacht zusammen ist, aber etwas tut, was man womöglich so noch nie zuvor getan hat, was geschieht da in einem? Gibt es Streit? Findet man sich selbst und seinen Frieden? |
Frieder | Nicht ganz einfach zu beantworten! Mit meiner Frau Birgit war ich das erste Mal auf so einer Tour. Es war schon eine neue Erfahrung für mich und bestimmt auch für sie. Anfangs gab es schon mal Situationen, wo sie und auch die andere Birgit mich ernsthaft „Maß genommen haben“, im Nachhinein, muss ich sagen, berechtigt.
An den ersten drei Tagen der Wanderung hatte ich nämlich einige tüchtige „Durchhänger“, ich habe einfach unterwegs zu wenig bis gar nichts gegessen und die Hitze (35 Grad und mehr) ging mir total an die Substanz. Ich konnte mir nicht vorstellen, die Strecke zu schaffen. Dieses Gefühl war wirklich neu für mich. Da haben sie mich mit ihrer klaren Ansage regelrecht gezwungen, mir wenigstens einen Müsliriegel oder sonst was anderes Nahrhaftes aus dem Rucksack in den Körper zu zwängen – echt ätzend, aber es war notwendig! Selbstfindung war es für mich eigentlich nicht. Allein hätte ich sicher „die Segel gestrichen“. Die wichtigste Erfahrung war für mich tatsächlich, dass die beiden Mädels mich hochgerissen haben. Ich habe erfahren, dass sie stärker waren als ich. |
Christian | Kann man da sich selbst und seinen Partner ein kleines Stück weit „neu“ kennen lernen? Ich selbst kenne Pilgern bisher nur als Allein-Erfahrung. Und ich hätte – ehrlich gesagt – auch ein wenig Angst davor, so etwas mit meiner eigenen Frau oder meinen Kindern, oder einem guten Freund zu machen. Dein Weg ist etwas Neues für mich, soll ich es auch einmal versuchen? |
Frieder | Auf jeden Fall habe ich meine Birgit neu erkannt und ich glaube, sie selbst sich auch. Sie war vor unserer Tour sehr skeptisch und unsicher, ob sie das schafft. Sie hat sich sehr intensiv vorbereitet. Insbesondere die Frage, welcher Rucksack denn am geeignetsten für sie ist, hat sie intensiv beschäftigt.
Sie hat vier verschiedene Modelle ausprobiert, ehe sie den richtigen gefunden hat. Ihre große Befürchtung war nämlich, dass sie durch das Tragen schnell Probleme mit ihren Rücken bekommt. Und dann ihre penible Optimierung, was in den Rucksack kommt und soll. Sie hat tatsächlich jedes Stück gewogen. Zum Schluss hat sich dies ausgezahlt – sie hatte keine Probleme und war, wie bereits gesagt, fitter als ich. Am Ende unserer Tour stellte sie mit einer gewissen Selbstironie fest: „Ich muss erst 61 Jahre alt werden, um festzustellen, dass so eine Tour was ganz Tolles und vor allem Machbares für mich ist!“ Einfach Wahnsinn! Oder? Allein Pilgern oder mit anderen? Auch diese Frage ist nicht pauschal zu beantworten. Ich selbst habe durch meine Etappen auf dem Jakobsweg in Deutschland schon Allein-Erfahrungen und Gruppen-Erfahrungen gemacht. Allein unterwegs sein, bedeutet: Du bestimmt alles selbst – Weg, Zeit, Unterkunft, Pausen usw. Das ist sicher dann angeraten, wenn Du wirklich mal weg willst und mit Dir allein sein willst. Mit anderen unterwegs sein heißt: Es entsteht automatisch eine gewisse Gruppendynamik, mit der man umzugehen hat: Der eine läuft schneller, der andere langsamer, der eine ist gesprächig, der andere schweigt eher. Gut ist, wenn man sich vorher oder auf dem Weg über einige Dinge verständigt. Auf dem Jakobsweg bin ich oft mit einer Pilgerkameradin unterwegs, die ich vor einigen Jahren einfach so auf dem Weg getroffen habe. Manchmal sind wir auch zu Dritt unterwegs, dann ist noch ein Verwandter von mir dabei. Das Schöne am gemeinsamen Unterwegs-Sein sind natürlich die Gespräche und die Eindrücke, die man unmittelbar miteinander austauschen kann. Ich empfehle Dir: „Wage den Versuch, mal mit jemandem gemeinsam unterwegs zu sein!“. |
Christian | Drei Wochen zu Fuß durch Israel… Wie fit muss man sein, um so etwas zu tun? |
Frieder | Sehr gute Frage, die uns auch nach unserem Trail immer wieder gestellt wird. Ein längeres spezielles Training ist aus meiner Sicht dazu nicht nötig. Wer gerne wandert und vielleicht schon öfters mal eine längere Tagestour gemacht hat, für den ist es kaum ein Problem. Wichtig ist, dass man sich nicht zu viel auf einmal vornimmt und anfangs nicht zu lange Tagesetappen plant.
Besser mal einen Tag mehr Pause einlegen und flexibel in der Gestaltung sein, was heißt, nicht mit Biegen und Brechen die am Schreibtisch oder vor dem Computer zu Hause zusammengestellten Tagesetappen durchziehen. Es kommt garantiert irgendwann mal was dazwischen, dann heißt es halt, „tagesaktuell“ zu reagieren. Auch wir haben oder mussten mal an manchem Tag unser geplantes Ziel ändern (kein Quartier oder es war zu heiß), oder wir haben z.B. den geplanten Ruhetag in Safed „gestrichen“ und dafür in Haifa gemacht. Man muss kein Profihiker sein, um den Shvil oder Teile davon zu absolvieren. Es soll welche geben, die wortwörtlich von der „Couch“ aus losgezogen sind. |
Christian | Viele haben zu mir nach meinem Shvil gesagt: „Ich würde das selbst nie schaffen, weil…“. |
Frieder | … es immer irgendwelche Gründe – ich würde fast sagen, Ausreden gibt.
…ich bin zu untrainiert, … ich bin zu alt dazu, ….es kommt keiner mit mir mit, ….in Deutschland würde ich vielleicht so was machen, aber doch nicht in Israel, …das ist mir zu gefährlich, … das stelle ich mir langweilig vor, was ist denn gerade an Israel so interessant? , … das ist mir zu aufwendig in der Vorbereitung für dort unten, …und, … und, …und. |
Christian | Reden wir einmal über die Ausrüstung. Welche Schuhe benötigt man? Und wie viel Gepäck habt ihr mit euch herumgeschleppt? (Hast du eine Ausrüstungsliste?) |
Frieder | Wichtig bei jeder Weitwanderung und so auch auf dem Israel-Trail sind gute Schuhe und der richtige Rucksack. Die Schuhe sollten, wie der Sachse sagt, „schon etwas eingelatscht sein“. Es müssen auf dem Trail gerade bei den doch teilweise recht hohen Temperaturen nicht hohe Wanderstiefel sein aber ordentliche halbhohe atmungsaktive Wanderschuhe mit fester aber flexibler Sohle sollten es sein. Auf keinem Fall irgendwelche leichten Schlappen.
Anzuraten sind noch ein Paar wasserfeste Sandalen, die man dann am Abend oder bei einem freien Tag benutzt und die sich auch dann günstig machen, wenn man mal durch einen Bach oder entlang eines wasserführenden Wadi waten muss. Beim Rucksack auch Sorgfalt walten lassen – richtig individuell einstellen und nicht zu groß und mal richtig packen und an einem Tag oder Wochenende unter reellen Bedingungen „probewandern“. Macht sich bezahlt! Was nimmt man mit? Gute Frage und individuell sehr verschieden. Eine erste Planung hat immer zum Ergebnis, dass es zu viel ist! Man denkt gar nicht, mit „wie viel Wenig“ man auskommt. Die beiden Birgits hatten ca. 6 Kilo zu schleppen und bei mir waren es was über 10 Kilo. Ich bin zwar schon oft auf dem Jakobsweg gewesen, habe es aber bis heute nicht gelernt, nur das Notwendigste mitzunehmen. Z.B. hatte ich noch zwei kleinere Bücher zum Lesen und ein Notizbuch mit, die ich aber bei einem meiner anfänglichen „Durchhänger“ wutentbrannt und mit lauten Schimpfen ins Gebüsch geschmissen habe. Nicht zu vergessen und ganz wichtig, auch wenn man zwischen Dan und Tel Aviv nicht in der Wüste ist, man braucht genügend Wasser für unterwegs, was beim Gewicht noch dazugerechnet werden muss. 5 Liter und mehr pro Nase und Tag sind nicht übertrieben. (Für den Süden ist ggf. mehr Wasser einzuplanen! Anm. d. Red.) In den Tipps habe ich mal die Packliste von meiner Frau Birgit aufgeschrieben! |
Wie teuer ist der Israel National Trail?
Christian | Immer wieder werde ich gefragt: Wie viel Geld braucht man für den Israel Trail? Klar, die Frage ist nicht pauschal zu beantworten … |
Frieder | Genau! Du bist ja ohne Geld losgezogen und ausgekommen. Für mich einfach unvorstellbar und zu stressig!
Wir haben pro Person für Übernachtung, Verpflegung und diverse Fahrten mit Bus und Bahn (an den Ruhetagen!) ca. 1000,- € pro Person ausgegeben. Manchmal war die Unterkunft kostenlos, in Haifa, Tiberias, Tel Hai und Tel Aviv haben wir uns aber schon mal eine richtig schöne Unterkunft gegönnt (Youth-Hostel und Gästehaus) und ein schönes kräftiges Mittag- und Abendessen unterwegs oder nach einem anstrengenden Shviltag muss auch ab und an sein (Man muss doch wieder zu Kräften kommen!). |
Gibt es wirklich Zufälle am Shvil Israel?
Christian | Du hast mir ein Foto geschickt, dass Euch mit einem strahlenden Shlomo Zaid zeigt (Carmel Hotel). Hammer! Der hat mir damals ein Zimmer geschenkt! Es war für mich ein irrsinniges Gefühl zwischen extremer Scham und tiefster Dankbarkeit, das ich nie mehr vergessen werde. Shlomo hat mich, Gott sei Dank, ein klein wenig arbeiten lassen. Das hat mir wahnsinnig gut getan! Und er hat mich das erste Mal in meinem Leben in die Synagoge geschickt, dafür sogar sein Hemd und seine Kippa geliehen. Ich verbinde mit all dem tiefe Gefühle. Dein Foto jetzt hat mich unglaublich bewegt! |
Frieder | Ja, wir waren auch bei Shlomo über Nacht! In Safed wollten wir eigentlich in einem Youth-Hostel übernachten. Aber dieses gab es nicht mehr. Wir standen also irgendwie etwas verloren am Straßenrand. Nun galt es, ein anderes Quartier zu finden. Wir schauten auf unsere Liste möglicher Unterkünfte in Safed und da stand obenan: Carmel-Hotel. Der Anruf war erfolgreich.
Eine nette Stimme am anderen Ende meinte, dass wir kommen könnten und nach weiteren zwanzig Minuten sind wir dann „zufällig?!“ bei Shlomo im Carmel-Hotel gelandet. Da ja Vorabend von Rosh HaShana war, hatten natürlich alle Läden zu und unsere Verpflegungsreserven waren ziemlich mickrig. Shlomo öffnete seinen privaten Kühlschrank und half uns mit Nudeln aus der Fertigterrine zum Warmmachen und einigen anderen Dingen für das Abendbrot aus. Am Morgen darauf versorgte er uns noch mit Obst für den Weiterweg. Kurz vor dem Abschied von ihm entstand das Foto, das Dich so bewegt hat. |
Christian | Es gibt keine wirklichen Zufälle? |
Frieder | Das ist eine sehr philosophische Frage. Für mich bzw. uns war es eine Fügung. Irgendwie sollte sich ein Kreis schließen, den Du mit Deinem Aufenthalt bei Shlomo eröffnet hast und der durch uns nach einer gewissen Zeit geschlossen worden ist. |
Christian | Ich selbst habe Israel im wahrsten Sinne von seiner schönsten Seite und die Menschen von ihrer menschlichsten Seite erlebt. Trotzdem: Es gibt natürlich immer auch ein paar kleine Enttäuschungen. Bei Dir war das am See Genezareth? |
Frieder | Ja, so was kommt halt auch vor. Es war aber die einzige richtige Enttäuschung. Nach einer langen Tagestour von Safed durch das Nahal Amud bis nach Migdal
fanden wir in Migdal selbst kein Quartier. Die Wirtin eines Bistros fuhr uns aber mit ihrem Auto bis zu einem Youth Hostel direkt am See Genezareth. Dort war es schon schwierig, dass sich nach unserem Anruf das große eiserne Tor öffnete. Drinnen angekommen hat uns der Diensthabende dann sehr unfreundlich und in einer arroganten Art zu verstehen gegeben, dass wir nicht übernachten könnten, weil alles belegt sei. Wir sahen aber kaum Gäste und er sah partout keine Möglichkeit, für uns ein Plätzchen frei zu machen. Auch meine beiden Mädels konnten ihn nicht erweichen. Ich meine, er wollte einfach nicht. Kurz darauf haben wir dann aber das Gegenteil erlebt. Mit Hilfe einer freundlichen Bistrobetreiberin haben wir dann in unmittelbarer Nähe des Hostels auf einem Campingplatz ein Zelt bekommen. So konnten wir noch direkt am See Genezareth den Sonnenuntergang erleben und den warmen Wind genießen, der charakteristisch für den See ist. Es gibt immer eine Lösung! |
Christian | Wenn zwei sich über den Israel Trail unterhalten, dann haben sie sich viel zu erzählen. Wiederholen sich Geschichten, oder ist jede eine ganz eigene Geschichte? |
Frieder | Ich denke, manche Erlebnisse und Eindrücke sind gleich oder ähnlich. Aber im Ganzen gesehen, kann dann jeder seine eigene Geschichte erzählen, Das ist ja gerade das Interessante und Faszinierende – viele gehen den gleichen Weg und jeder erlebt ihn anders – einfach irre! |
Über Künstler, Gott und Glauben
Christian | Ein Hod. Der „heilige“ Ort der Künstler. Da wollte ich unbedingt hin. Schließlich bin ich selbst Künstler! Und dann wollte der liebe Gott anscheinend, dass ich mich immer verlaufe und Ein Hod nie zu Gesicht bekomme. Frieder, wie war es dort? |
Frieder | Ein Hod ist speziell. Schon am Ortseingang wird man damit konfrontiert, dass es sich um einen Ort handelt, in dem Künstler wirken und wohnen. Viele Skulpturen und Werke stehen im Ort und in jedem Haus ist entweder eine Boutique oder eine Werkstatt oder ein Atelier oder eine kleine Bühne oder ein Museum oder, oder, oder .,.. untergebracht. Man sagt, in jeder Familie in Ein Hod ist einer künstlerisch aktiv. Auch bei unseren Gastgebern war es so, Daliah war bis vor kurzem Betreiberin einer Keramikwerkstatt. In Ein Hod haben wir eine zusätzliche Nacht bei Daliah und Alex verbracht, weil es in einem geplanten anderen Quartier nicht klappte.
Daliah telefonierte und verhandelte und zum Schluss sagte sie; „Wisst ihr was, dann bleibt ihr halt noch eine weitere Nacht bei uns!“ Sie hat uns dann am anderen Tag mit ihrem Auto von unserem Tagesziel 20 km entfernt abgeholt und am darauffolgenden Morgen wieder dorthin gebracht, wo wir dann unsere nächste Etappe begonnen haben. Ist doch toll! |
Christian | In Leipzig habe ich ein Buch signiert und – naja – mit „Ich wünsche Dir Glück und Gottes Segen“ signiert. Die Dame war vollkommen entsetzt, nahm das Buch nicht ab und meinte im Gehen: „In Leipzig haben wir doch keinen Gott!“. Ich hätte ihr wahnsinnig gerne ein anderes Exemplar signiert, aber sie war schon fort. Ist Gott „im Osten“ ein Tabu? |
Frieder | Nein! Vierzig Jahre staatlich verordneter Atheismus in der DDR hat aber leider im Osten seine Wirkung bei vielen Menschen hinterlassen. Trotzdem ist und wirkt Gott auch in Leipzig. Ich denke, dass er gerade in Leipzig ein Wunder in den Menschen hat wirken lassen, nämlich die Friedliche Revolution 1989, die von Leipzig ausgegangen ist. Ohne Blutvergießen und ohne Gewalt wurde die Diktatur eines Regimes zum Stürzen gebracht, die einen neuen Menschen “ohne Gott“ schaffen wollte. |
Christian | Vorsichtig ausgedrückt: Ich habe mich aufgemacht, um mich selbst zu finden. Aber natürlich habe ich mich auch aufgemacht, um meinen eigenen Glauben irgendwie wieder zu finden. Zu ergründen: Gibt es meinen Gott? Wo ist er? Ist er jetzt gerade bei mir? Und: Wo stehe ich in meinem Leben, was ist mir eigentlich wichtig? Und was ist mir total unwichtig. Wie war das bei Dir, Frieder? |
Frieder | Ich wollte mich nicht selbst finden und brauchte auch keine Bestätigung meines Glaubens. Ich war einfach neugierig und wollte Israel intensiver, näher an den Menschen und entschleunigter kennenlernen, was zu Fuß ideal möglich ist. Lust darauf hat mir und den beiden Mädels unser touristisch geprägter Besuch über zwei Wochen in Israel im vorigen Jahr gemacht.
Ich habe das Land sofort in mein Herz geschlossen und es lässt mich nicht mehr los! Der erste Impuls zur Tour auf dem Shvil wurde damals in Cäsarea gesetzt, als wir an einem Laternenpfahl „zufällig“ das Shvil-Zeichen entdeckten und wir darüber ins Gespräch miteinander kamen. Ich wusste aber schon, dass es diesen Trail durch Israel gibt. Der zweite Impuls kam dann, als wir von der Festung Massada nach unten gestiegen sind. Da habe ich mit der anderen Birgit – also nicht mit meiner Frau – ernsthaft erörtert, dass wir es doch mal machen könnten. Entscheidend war dann, als ich mit meiner Frau Birgit darüber sprach und sie prinzipiell nicht abgeneigt war. Dann ging alles recht schnell, wir haben uns zu dritt zusammengesetzt und konkret geplant und im November vergangenen Jahres haben wir tatsächlich schon die Flugtickets für September und Oktober dieses Jahres gebucht. Um noch einmal auf die Glaubensproblematik zurückzukommen. Wir haben unseren Weg auf dem Trail bewusst unter den Schutz und die Begleitung Gottes gestellt, was heißt, wir haben unsere Wünsche und unseren Dank in ein tägliches gemeinsames Gebet am Morgen und am Abend eingebettet. Ich selbst hatte eine kleine Taschenausgabe des Neuen Testaments dabei und meine Abendlektüre bestand in der Regel im Lesen im Johannesevangelium. Ich habe es geschafft, es ganz zu lesen. Und schließlich war es für mich auch sehr emotional ergreifend, den Wirkungsraum Jesu insbesondere in der Gegend am See Genezareth aufzunehmen. Mir ist dabei nicht wichtig, ob diese oder jene Passage im Neuen Testament genau hier und nicht etwa einen halben Kilometer entfernt geschehen ist – es war aber in der Gegend. Die Landschaft am See Genezareth strömt für mich eine besondere Atmosphäre aus – hier weht ein Heiliger Geist/Wind. |
Drei Leipziger am Irael Trail (Teil 2)
Drei Leipziger am Israel Trail (1)
Fotos (c) Frieder Leistner